HitHit am Cellaplatz, Zürich, 16. Dez 2010
HITHIT
16. Dezember 2010, Cella Platz, Zürich (Privatgrund der Longstreet Bar)
20.00
Der Boxautomat wird auf dem Cella Platz ausgeladen und vor einer Sitzbank aufgestellt. Es ist ca. -3 Grad Celsius und es nieselt feinen Schnee vom Himmel. Die notwendigen Stromkabel verlegen wir in die Äste des nahen Baums, der bereits mit einer Lichterkette geschmückt ist. Nun kann der Automat in Betrieb genommen werden. Der erste Test zeigt, dass sich die monatelange Arbeit gelohnt hat. Das gesendete SMS hat ein Spiel frei geschalten: Alles funktioniert.
20.30
Die ersten Hitter sind drei ältere Herren, etwas angeheitert. Zwei davon Schweizer, die sofort ihre Handys zücken und gleich los schreiben, dass sie aber bei ihrem Schlag gefilmt würden lässt ihre Mobiltelefone schnell wieder verschwinden. „Ich werde nicht gerne gefilmt und will auch nicht im Fernsehen kommen!“ Aber ob es nicht möglich sei, trotzdem ein Spiel freizuschalten? Wir lassen uns erweichen. Der Schlag aber soll ihr dunkelhaariger Kollege ausführen, der gebrochen Deutsch spricht. Als Wirt von der gegenüberliegenden Bar Aladin könne er doch nicht vor seinen Gästen auf so einen Automaten einschlagen. Er braucht längere Ermunterungen bis er es dann tut. Aber auf keinen Fall soll seine Frau das Video sehen!
20.45
Wir haben in der warmen Longstreet Bar platz genommen, unmittelbar am Fenster mit perfekter Aussicht. Der Automat fügt sich unauffällig in die Umgebung ein. Es scheint, als sei er schon immer da gewesen. Die meisten Passanten gehen ohne Beachtung an ihm vorbei.
21.50
Mit unseren Smartphons überprüfen wir, ob die Filme auf der Webseite zu sehen sind. Der neuste Film ist von 21.20 – Datenstau? Mit portablem Screen und Tastatur gehen wir in die Kälte und überprüfen die Datenübertragung wie auch die Rechnerprotokolle. Wieder zurück in der Wärme scheint das Problem gelöst. Warum bleibt unklar!
22.30
A., ein Bekannter von uns kommt hinzu. Gleichzeitig stehen drei Kroaten vor dem Automaten und versuchen die Gebrauchsanweisung zu entziffern. A. übersetzt die Anleitung in Schulitalienisch. Die drei Kroaten schlagen gekonnt, mit einem leichten Dreh im Oberkörper stoppen sie kurz bevor sie mit ihrem ganzen Gewicht den Kasten rammen. Sie schlagen Rekordwerte. Die Widmungen sind allesamt Frauennamen. A. kann, was die Schlagstärke betrifft kaum mithalten – was man jedoch von seinen Texten nicht behaupten kann: seine Zeilen haben eine ganz andere Schlagstärke.
Etwas funktioniert nicht mehr wie es sollte – die Kroaten rütteln am HitHit. Schnell schreiten wir ein und erklären, dass dies eine Kunstinstallation sei, die hier das erste Mal getestet würde. Ohne Einwände verlassen sie den Platz. Durch die Erschütterungen hat sich ein Kabel gelöst – das kann aber einfach behoben werden.
22.50
Wieder in der Wärme im Longstreet versucht eine offensichtlich angeheiterte Frau uns in eine Diskussion um Sinn und Zweck von HitHit zu verstricken. Sie will schlagen und nicht gefilmt werden! Nach einer Weile installiert sie sich doch mit Bier und Tasche vor dem Automaten und beginnt, die Anweisungen zu studieren. Langsam tippt sie ihren Text, springt dann entzückt auf wie sie sieht, dass sie ein Freispiel erhalten hat. In der Folge spielt sie ganz alleine gegen sich selbst, schneidet Faxen und steigert bei jedem Schlag ihre Punktezahl. Für den restlichen Abend wird sie zur eigentlichen Animatorin, spricht vorbeigehende Passanten und Partygänger an und schlägt mit einigen um die Wette. Am Ende des Abends verabschiedet sie sich mit Kusshänden.
23.40
Wir beginnen mit dem Abbau.
Anmerkungen:
Ausgerechnet den Cella Platz im Zürcher Rotlichtmilieu auszusuchen ist, das ist uns selber als etwas waghalsig vorgekommen. Das schlechte Wetter und die tiefen Temperaturen haben jedoch dafür gesorgt, dass es viel ruhiger zu und herging als erwartet. Was der Testsituation durchaus entgegengekommen ist. Für die Elektronik allerdings wurden die tiefen Temperaturen zu einem Einflussfaktor. Trotzdem hat alles funktioniert. Ungeklärt bleibt das Problem der Datenübertragung.
HITHIT wird wohl kaum ohne Betreuung vor Ort funktionieren. Es braucht den Einsatz von AnimatorInnen, die zeigen wies geht und tatkräftig vorangehen. Denn HITHIT fordert von seinen Mitspielerinnen sich auf etwas einzulassen, das nicht unbedingt naheliegt: Wer sich gewohnt ist dreinzuschlagen, kann dies nicht einfach tun, sondern muss sich zuerst textlich mitteilen. Wer gewohnt ist Spielregeln zu befolgen und sich schriftlich auszudrücken ist plötzlich physisch gefordert nämlich so viel Kraft wies nur geht reinzubuttern. Dies ist nicht allen geheuer – das ist aber durchaus beabsichtigt, es geht genau um dieses Momentum der Irritation. Und genauso interessant wie die Filme, die hochgeladen werden sind deshalb die Begegnungen von Menschen unterschiedlichster Milieus vor dem Boxautomaten, die sich für einen Moment austauschen, zusammen tun für ein Spiel.
Dezember 2010 Anna Kanai/Tian Lutz